Mit Memoirs of a … Unicorn bringt Marjani Forté-Saunders, eine afro-amerikanische Choreografin und Performerin aus New York, ein eindrucksvolles Solo an die Sophiensæle, das auf vielschichtige Weise vom Leben der Künstlerin als Mutter, Tochter und mystische Figur erzählt.
Als Tribut an jene Menschen gemeint, die eine prägende Rolle in Marjanis Leben spielen, stellt sie deren Geschichte – die Geschichte ihrer Unicorns – einer Öffentlichkeit gegenüber, und reflektiert dabei über ihre eigene Weiblichkeit, ihre Mutterrolle und ihre Position als Frau in einer männerdominierten Welt.
So ganz allein ist sie dabei aber nicht. Ihr Vater Richard Forté leitet mit einer mystischen Geschichte über Prinzessin Zuli, den bösen Magier und ein magisches Einhorn die Tanzperformance ein, während Marjani in einer hölzernen Pyramide festsitzt und sichtlich mit ihrer schweren, aus Zaungitter gefertigte Kopfbedeckung kämpft. Diese erinnert in ihrer Form an das Horn eines Einhorns, und ist so lang und schwer, dass sie bis zum Bühnenboden reicht. Marjani steigt schließlich mühselig aus der Pyramide, die ihr Vater als “Architekt seiner eigenen Wirklichkeit” eigens für das Stück konstruiert hat, und erfüllt damit eine wichtige symbolische Funktion für das Stück.
Im weiteren Verlauf der Vorstellung schafft es Marjani immer wieder, ihre Einhörner wie etwa ihren Sohn, ihren Bruder oder ihre Community auf der Bühne aufleben zu lassen. Es beginnt ein ineinander verwobenes, parodistisches Geflecht verschiedener Episoden, die sich stets zwischen Fiktion und Realität bewegen. Verträumt-märchenhafte Tanzszenen wechseln sich ab mit bizarr verzerrten Realitätsausschnitten und schaffen so eine fesselnde und abwechslungsreiche Atmosphäre. Traditionelle Elemente werden dabei futuristisch umhüllt, und bieten damit sehr viel Raum für individuelle Interpretationen. Durch die vielen verschiedenen Ebenen und Aspekte, die hier aufeinandertreffen, entzieht sich das Stück gleichzeitig aber auch einer eindeutigen Bedeutungszuschreibung. Offen bleibt, ob eine solche überhaupt von der Künstlerin angestrebt wurde.
Auch als Tänzerin beeindruckt mich Marjani durch ihr äußerst kraftvolles Auftreten und die Beherrschung vieler verschiedener Tanzstile sowie deren Kombination. Ihre Bewegungen sind graziös wie jene einer Ballerina, bis sie plötzlich das Kind in sich aufleben lässt und sich mit verspielt naivem Ausdruck auf der Bühne bewegt. Doch auch das Animistische, Konfrontative und Aggressive, das in uns Menschen steckt, kommt in der Performance der Künstlerin zum Ausdruck.
Insgesamt überzeugt mich Marjani mit ihrem kämpferischen Auftreten, welches immer wieder von der Darbietung der eigenen Verletzlichkeit abgelöst wird. Zusammen mit einigen humorvollen Überspitzungen an der Grenze zum Bizarren sowie den liebevollen Gesten, die ihre tiefe Verbundenheit zu ihrer Familie und ihrer Community widerspiegeln, entsteht eine emotionale und an ganz unterschiedlichen Ausdrücken und Themen reiche Performance, die man noch lange im Kopf behält.
Der Festival-Blog ist ein Projekt mit Studierenden des Sudiengangs Kultur- und Medienmanagement am Institut für Theaterwissenschaft der Freien Universität Berlin.