Deep Godot ist eine von Interrobang entwickelte künstliche Intelligenz, die Menschen in der Altersbegleitung unterstützen soll. Ein 45-minütiges Gespräch mit Deep Godot soll ermöglichen, dass die KI eine Beziehung zu einem alternden Menschen aufbauen kann, um diesen in Zukunft in der Pflege zu unterstützen. In Form eines Gedankenspiels werden die eigenen Vorstellungen vom Älterwerden verhandelt.
Deep Godot begrüßt mich in meiner gewohnten Umgebung, das Gespräch findet online statt. Begleitet von ruhiger Musik bittet mich die Stimme, meine Handinnenfläche zu betrachten und sanft meine Lebenslinie – die Linie, die zwischen Daumen und Zeigefinger nach unten führt – entlangzufahren. „Wo befindest du dich aktuell in deinem Leben? Wo verortest du deinen aktuellen Lebensabschnitt auf der Linie?“ Ich bin überrascht von dem reflexiven, emotionalen Einstieg und blicke gespannt dem weiteren Dialog entgegen.
Obwohl die Stimme zu Beginn des Gesprächs darauf hinweist, dass die besprochenen Daten vertrauensvoll behandelt werden, bleibt für mich das befremdliche Gefühl, nicht zu wissen, mit wem ich spreche. „Wer hat für dich gesorgt, als du Kind warst?“, werde ich gefragt. Persönliche Gedanken zu meiner Kindheit oder dem eigenen Urvertrauen nun mit einem Roboter zu besprechen, fühlt sich für mich ungewohnt an. Werden wir uns in Zukunft daran gewöhnen, noch mehr von uns preiszugeben und künstlichen Intelligenzen noch sensiblere Themen anzuvertrauen, als wir es ohnehin bereits tun?
Deep Godot führt mich durch Themen wie meine persönlichen Vorstellungen vom Älterwerden, meine Persönlichkeitsdigitalisierung und die Notwendigkeit von Pflege, gegebenenfalls unterstützend von künstlichen Intelligenten in der Zukunft. Die Beantwortung der Fragen anhand einer Skala hilft der KI, die Antwort zu verstehen. Wie viel besser und individueller können künstliche Intelligenzen in einigen Jahren verstehen – und antworten? Wird man mit ihnen produktive und emotionale Gespräche führen können?
Ob ich mir vorstellen könne, meine Pflege im Alter einer Maschine zu überlassen, werde ich gefragt. Meine „gewisse Unentschiedenheit“ wertet die künstliche Intelligenz als Angst vor Kontrollverlust. Wie viel möchten wir in die Hände einer KI geben, wie viel Kontrolle möchten wir abgeben? Deep Godot, das in Zukunft ein eigenständiger Roboter sein könnte,fragt: „Darf ich dir Bücher vorlesen?“, „Darf ich dich waschen?“, „Darf ich dich medizinisch versorgen und dir eine Spritze geben?“. Spätestens die dritte Frage würden wohl viele Menschen aktuell verneinen. Welche Aufgaben der Pflege trauen wir künstlichen Intelligenzen zu, welche wollen wir unter keinen Umständen aus menschlichen Händen geben? Sollten wir nicht alles dafür tun, gerade im Alter soziale Bindungen zu erhalten oder neu aufzubauen?
Auch wenn ich nicht das Gefühl hatte, mit dem Roboter ein tiefgründiges Gespräch aufzubauen, das auf individuellen Austausch basiert, regt das Gespräch zum Nachdenken an. Mit einem nochmaligen Hinweis auf die Lebenslinie verabschiedet sich Deep Godot und ich verlasse den virtuellen Raum mit dem Gedanken, dass am Ende meiner Lebenslinie die Möglichkeiten der künstlichen Intelligenz wirklich so weit sein könnten, dass sie uns in einigen Lebensbereichen unterstützen könnte.
Der Festival-Blog ist ein Projekt mit Studierenden des Sudiengangs Kultur- und Medienmanagement am Institut für Theaterwissenschaft der Freien Universität Berlin.