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Die finalen Proben von Okay boomer laufen auf Hochtouren. Trotzdem findet das Künstlerinnenduo AHH, bestehend aus Golschan Ahmad Haschemi und Banafshe Hourmazdi, Zeit, mir einige Fragen zu ihrer musikalischen Revue zu beantworten. Unterstützung bei ihrer Performance erhält AHH von der Komponistin Sara Glojnarić, denn für Ok boomer bedienen sich die beiden Künstlerinnen der Pop-Musik als Medium, um fehlende (feministische) Diskurse in der (Pop-)Geschichte aufzuzeigen und aus heutiger Sicht zu reinterpretieren und umzuschreiben. Während unseres Gesprächs kurz vor der Probe verraten Golschan, Banafshe und Sara, wieso Pop-Musik mehr als Unterhaltungsmusik ist und warum sie Ok boomer als Titel gewählt haben.
© Amelie Kahn-Ackermann
In eurer Performance beschreibt ihr Pop-Musik als „Unterhaltungsmusik, die einfach für gute Laune sorgt.“ Warum habt ihr sie dennoch – oder gerade deshalb – als euer Medium gewählt?
S: Pop-Musik ist viel mehr als nur Unterhaltungsmusik. Ich bin für die musikalische Leitung verantwortlich und war deshalb nicht bei der konzeptuellen Arbeit dabei, aber ich habe während unserer Zusammenarbeit der letzten Wochen gemerkt, dass genau diese Referenzialität das Wichtigste bei Ok boomer ist. Pop-Musik besteht aus so viel Material, dass man damit auf vielen künstlerischen Ebenen arbeiten kann. Nicht nur auf der musikalischen Ebene, sondern auch auf der soziopolitischen Ebene.
G: Banafshe und ich haben gemeinsam das Konzept entwickelt. Teil des Prozesses war, dass wir Lieder gesammelt haben, die uns etwas bedeuten. Vielleicht weil sie etwas mit unserer Biografie zu tun haben oder weil sie uns an etwas erinnern. Teilweise gibt es auch eine geteilte Art der Erinnerung. Es kommen auch Songs vor, die nicht in dem Sinne einen tieferen biografischen Sinn haben, aber Emotionen evozieren. Auf der Sammlung basierend, haben wir überlegt, wozu wir uns szenisch oder musikalisch etwas vorstellen können. Teilweise waren die Songs auch nur Inspiration für die Settings und kommen als solche gar nicht mehr vor. Dadurch ist diese große Varietät an unterschiedlichen Songs entstanden. Es gibt Smasher, aber auch Lieder, bei denen wir uns sicher sind, dass nicht viele sie kennen, die aber uns etwas bedeuten.
Der Begriff „Boomer“ bezieht sich auf die Generation, die in den 50er und 60er Jahren geboren wurde, mehrere Jahrzehnte vor eurer Geburt. Warum ist die Boomer-Generation trotzdem interessant für euch und eure künstlerische Arbeit?
G: First of all, we’re old souls. (lacht) Der Begriff ist im Arbeitsprozess aufgekommen. Er kommt aus dem US-amerikanischen Kontext und ist in Deutschland auf die Wirtschaftswunder-Generation übertragbar. Was ich lustig finde, ist, dass dieser Begriff, als er geprägt wurde, einerseits Empören hervorgerufen hat, wobei es andererseits eigentlich ein schon fast pubertärer provozierender Begriff ist. Er ist vermeintlich respektlos gegenüber dieser älteren Generation. Im Grunde sagt es aber viel mehr über die, die so darauf reagieren, als über die Person, die den Begriff verwendet.
B: Für mich hat der Titel auch damit zu tun, dass immer diese gewisse Unterstellung in Diskursen aufkommt, dass die jüngere Generation undankbar sei und sich die jüngeren Feminist*innen bei den älteren Feminist*innen bedanken sollten. Damit spielen wir auch in dem Stück. Man kann sein Leben nicht damit verbringen, den älteren Feminist*innen zu huldigen.
G: Auch auf einer sozioökonomischen Ebene beschreibt der Begriff konkret etwas. Und zwar eine Zeit, in der Menschen gelebt haben, die in den USA diese ganz großen Autos gefahren sind oder sich für einen Spottpreis Immobilien kaufen konnten. Dieser Vorwurf, dass die Generation heute – wer auch immer Teil dieser Generation sein mag – faul sei und nicht richtig arbeite. Das alles steckt in diesem Begriff. Es ist außerdem eine Pop-Referenz und genauso vielschichtig wie Pop selbst. Gleichzeitig spielt er auch nicht eine so große Rolle, dass wir im Stück ständig darauf verweisen. Es reicht, mit Zitaten oder Outfits daran zu erinnern.
Mit OK boomer habt ihr euch auch die Frage gestellt, inwieweit überholte feministische Diskurse umgeschrieben und trotzdem wertgeschätzt werden können und welche Erwartungen wir an die jüngere Generation richten dürfen. Habt ihr während eures Arbeitsprozesses darauf eine Antwort gefunden? Oder hat sich eure Sichtweise darauf geändert?
B: Wir haben viel recherchiert, seit wir das Projekt vor zwei Jahren begonnen haben. Im Zuge dessen haben wir uns immer wieder zu zweit ausgetauscht, aber auch mit Menschen verschiedenster Generationen unterhalten. Ich habe das Gefühl, dass dieses Generationending ein zusätzlicher Graben ist, der mir vorher gar nicht so bewusst war.
G: Ich finde es absurd, mit wieviel Feindseligkeit diese Generationsunterschiede eigentlich benannt werden. Die Musik, die wir verwenden, umfasst eine Zeitspanne von mehreren Dekaden. Es gibt also eine Wertschätzung vieler Jahrzehnte und Künstler*innen. Was in einem Zweiergespräch dahingegen oft passiert, sind Schuldzuweisungen an andere Generationen. Das ist absurd. Es sollte eher um die Frage nach Verantwortung und nicht nach Schuld gehen. Wie gehen wir mit dem Ist-Zustand um? Es bringt uns nicht weiter, daran festzuhalten, dass bestimmte Generationen schuld an etwas sind, und wir das ausbaden müssen. Denn ja – es ist so, wie es ist. Aber wie funktioniert die Verantwortungsübernahme für das Jetzt?
Der Festival-Blog ist ein Projekt mit Studierenden des Sudiengangs Kultur- und Medienmanagement am Institut für Theaterwissenschaft der Freien Universität Berlin.